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Damit Wasserstoff flächendeckend in Deutschland eingesetzt werden kann, müssen neue Leitungen gebaut und bestehende Pipelines ertüchtigt werden. Werkstoffprüfungen schaffen hierfür die nötige Sicherheit.

Die Bundesregierung setzt mit der nationalen Wasserstoffstrategie auf Wasserstoff als alternativen Energieträger für Industrie, Mobilität und Energieversorgung. Wasserstoff ist einevielversprechende Lösung zur Unterstützung der Energiewende: Wasserstoff hat vielseitige Anwendungsmöglichkeiten, seien es in Stromerzeugung, beim Betrieb von Brennstoffzellen für Mobilitätsanwendungen, Industrie oder Heiz- und Wärmetechnik. Dadurch bringt Wasserstoff ein großes Potenzial zur Emissionsreduktion mit, Nachhaltigkeit entsteht durch den Einsatz von grünem Wasserstoff. Der Energieträger kann zudem als Langzeitspeicher dienen, da er oder seine Derivate eine bessere Speicherfähigkeit als Strom besitzen.

Für all diese Anwendungsbereiche muss Wasserstoff als Gas oder in flüssiger Form transportiert werden: in Pipelines als Rückgrat einer Wasserstoff-Infrastruktur oder in Tanks auf der Straße, der Schiene oder auf See. Hierbei die nötige Sicherheit zu gewährleisten, stellt allerdings eine technische Herausforderung dar, denn H2 ist hochentzündlich und hat einen weiten Explosionsbereich. Leckagen müssen deswegen unbedingt vermieden werden, Materialien und Leitungen dicht und H2-beständig sein. 

Wasserstoff kann Leitungswerkstoffe beeinträchtigen

Dies ist anspruchsvoll, da Wasserstoff mit anderen Materialien reagiert und deren Eigenschaften beeinflusst: Es kann zur Wasserstoffversprödung kommen, wenn Wasserstoffatome in Metalle eindringen: H-Atome diffundieren in die Metallstruktur und lagern sich an Gitterfehlern wie Korngrenzen, Versetzungen oder Hohlräumen an. Das vermindert die Festigkeit und die Duktilität des Metalls, also dessen Eigenschaft, sich unter Belastung plastisch zu verformen, bevor es versagt. Es wird damit unter Belastung anfälliger für Risse und Brüche. Besonders betroffen sind hochfeste Stähle und Legierungen (Rm>1000 MPa) sowie Schweißnähte. Bei wiederholter mechanischer Belastung, etwa Druckstößen, wie sie im Betrieb von Rohrleitungen auftreten, können sich dadurch Risse schneller ausbreiten. Außerdem sind thermisch-mechanische Effekte zu beobachten: Bei höheren Temperaturen können Wasserstoffatome schneller und tiefer in das Metall eindringen und es kann, abhängig vom Werkstoff, als ein weiterer Schädigungsmechanismus das sogenannte HTHA (High temperature hydrogen attack) zum Tragen kommen. Auch bei höherem Druck steigt die Menge an Wasserstoff, die in das Metall eindringen kann. In feuchten Umgebungen können wiederum Wasserstoff und Wasser zusammenwirken und korrosive Angriffe beschleunigen. Wechselnde Temperaturen und Drücke sind dann weitere Herausforderungen. 

Die Folge dieser Effekte ist eine reduzierte Lebensdauer der Transportleitungen: Das Material ermüdet schneller, Risse entstehen und es kommt zum vorzeitigen Materialversagen. Das macht häufigere Wartungen, Inspektionen und den Austausch von Teilen der Anlagen notwendig, was zu Stillstandzeiten führt. Hinzu kommen Sicherheitsrisiken wie Leckagen und Explosionsgefahr.

Erdgas-Pipelines für den Transport von Wasserstoff?

Geplant wird, bestehende Erdgas-Pipelines für den Transport von Wasserstoff umzuwidmen; aktuell werden in Teilen Deutschlands zehn Prozent Wasserstoff dem Erdgas beigemischt, die Umstellung auf 100 Prozent Wasserstoff wird in Pilotprojekten derzeit erprobt. Viele der Werkstoffe der verlegten Erdgas-Pipelines sind grundsätzlich auch für den Wasserstofftransport geeignet. Allerdings muss auf Kompatibilität geachtet werden, weswegen eine Werkstoffprüfung unerlässlich ist, das heißt das Material muss auf Wasserstoffversprödung und auf seine Eignung hin geprüft werden. Zum anderen besteht bei Wasserstoff, dessen Moleküle kleiner sind als jene von Methan, eine erhöhte Diffusion durch Dichtungen und damit ein höheres Risiko von Leckagen, was einen Austausch von Dichtungen und Ventilen zum Teil erforderlich macht. Außerdem sind bessere Überwachungs- und Kontrollsysteme zur (frühzeitigen) Leckage- und Lageerkennung notwendig.

Den Einfluss des Wasserstoffdrucks auf die Infrastruktur messen

Wie sich Wasserstoff auf die Werkstoffe der Infrastruktur auswirkt, wird bei den Werkstoffprüfungen durch eine Kombination aus Laborprüfungen, Mikrostrukturanalysen, Simulationen und Langzeitfeldversuchen untersucht: Bei Zugversuchen werden Werkstoffproben zum Beispiel unter verschiedenen Wasserstoffdruckbedingungen belastet, um Festigkeit, Duktilität und Bruchverhalten zu messen. Kerbschlagbiegeversuche bewerten die Zähigkeit des Materials und seine Fähigkeit, Energie zu absorbieren, bevor es bricht: Wasserstoff kann die Kerbzähigkeit erheblich verringern. Bei Druck- und Ermüdungstests werden Materialien zyklischen und unterschiedlichen Druckbedingungen ausgesetzt, um ihre Ermüdungsfestigkeit und ihr Verhalten unter wiederholter Belastung zu untersuchen. Weitere Erkenntnisse über Materialverhalten und -zuverlässigkeit lassen sich darüber hinaus aus Erfahrungsberichten und Datenanalysen von bestehenden Wasserstoffinfrastrukturen gewinnen.

Zusätzliche Faktoren, die für die Bewertung der Eignung von Werkstoffen für Wasserstoff-Pipelines relevant sind, sind auch Bruchzähigkeit und Risswachstumsverhalten. Sie lassen Rückschlüsse auf Sicherheit, Zuverlässigkeit und Lebensdauer der Pipeline zu: Die Bruchzähigkeit gibt an, wie gut ein Material der Ausbreitung eines Risses widerstehen kann bzw. definiert den geringsten Wert, den ein Material aufweisen muss, um als sicher für den Einsatz zu gelten. Die Prüfungen erlauben präzise Lebensdauerprognosen und durch die Auswahl geeigneter Materialien längere Betriebszeiten.

Die Qualität der Schweißnähte der Pipelines wird durch visuelle Inspektionen, zerstörungsfreie und zerstörende Prüfungen wie die bruchmechanische Analyse ermittelt. Internationale Normen und Standards wie ASME B31.12 und ISO 11114 und weitere bieten Leitlinien und Mindestwerte, die die Materialien erfüllen müssen; die Mindestbruchzähigkeit liegt zum Beispiel typischerweise im Bereich von 50-100 MPam^0,5. Da noch Regelungslücken vor allem in der nationalen und europäischen Normung bestehen, hat das DIN die Normungsroadmap Wasserstoff initiiert; hier werden bspw. aktuell mit der DIN EN 13445-15 und DIN EN 13480-11 Zusatzanforderungen für Druckbehälter und Rohrleitungen für Wasserstoffanwendungen erarbeitet.

Prüfung von akkreditierten Prüfbetrieben

Werkstoffprüfungen sollten von einem akkreditierten Labor vorgenommen werden, um den hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen zu entsprechen. TÜV Hessen bietet als zugelassener Prüfbetrieb für die Werkstoffprüfung zum Beispiel umfassende Prüf- und Zertifizierungsdienste, samt zerstörungsfreier und zerstörender Prüfungen sowie Spezialprüfungen wie die H2-Qualifizierung. Die Akkreditierung nach ISO/IEC 17025 bescheinigt, dass der Betrieb die Anforderungen eines international anerkannten Standards für die Kompetenz von Prüf- und Kalibrierlaboratorien erfüllt. Die DIN EN ISO/IEC 17025 ist der weltweit gültige Standard für die Laborakkreditierung im Bereich Prüfen und Kalibrieren: Sie definiert allgemeine Anforderungen an Kompetenz, Neutralität und Arbeitsweise. Ein zugelassenes Prüflaboratorium bringt die notwendige Fachkompetenz durch technische Expertise und Erfahrung mit, gewährleistet Unabhängigkeit und Objektivität und die Einhaltung internationaler Standards und damit die Konformität. Für Unternehmen bedeutet das eine erhöhte Sicherheit, Risikominderung sowie langfristige Kostenersparnisse. 

Um Erdgas-Pipelines für den Transport von Wasserstoff zu ertüchtigen, muss eine Werkstoffprüfung des Materials erfolgen. Denn Wasserstoffversprödung, die durch den Betrieb entstehen kann, führt zu vorzeitiger Materialermüdung und kann die Sicherheit beeinträchtigen. Die notwendigen Prüfungen und Versuche werden zuverlässig von akkreditierten Prüflabors durchgeführt.