Für Konsumenten bedeutet die Legalisierung von Cannabis zunächst ein größeres Freiheitsgefühl. Doch wie bei vielen Rauschzuständen kommt nach dem Hoch ein Tief.
Seit dem 1. April gilt in Deutschland das Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis. An vielen Stellen gibt es jedoch offene Fragen. Vielerorts herrscht Unklarheit, welche Ämter zuständig sind und wie die neuen Regelungen kontrolliert werden. Sorgen bereitet zudem die Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit.
Umstrittene Grenzwerte
Kurz nach der Verabschiedung des Cannabis-Gesetzes empfahl eine unabhängige Expertengruppe im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums eine Empfehlung für einen THC-Grenzwert. Der vorgeschlagene Wert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter THC Blutserum muss vom Gesetzgeber noch festgeschrieben und im Bundestag beschlossen werden. Die Expertengruppe verfolgte damit einen konservativen Ansatz, der in etwa einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille entspricht.
Doch auch der konservativste Ansatz kann die negativen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit nicht beiseite wischen. Für zahlreiche Experten ist der vorgeschlagene Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter THC Blutserum nach derzeitigen Erkenntnissen nicht wissenschaftlich begründbar, sondern politisch motiviert.
Der TÜV-Verband fordert deshalb ein absolutes THC-Verbot am Steuer für Fahranfänger und Berufskraftfahrende. Die Null-Promille-Grenze für Alkohol hat sich bewährt – und die gleiche Grenze sollte deshalb bei Cannabis eingesetzt werden. Dr. Kristen Heitland von TÜV Hessen unterstützt die Forderung nach strengeren Vorgaben: „Am sichersten für den Verkehr und die eigene Fahrerlaubnis ist es, wenn man sich nach dem Konsum von Cannabis gar nicht erst ans Steuer setzt.“
Schwierige Kontrollen
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bemängelt ebenfalls den fehlenden Wert für Fahranfänger und Berufskraftfahrende. Hinzu kommen offene Fragen bei der Kontrolle der neuen Grenzwerte. In diesem Zusammenhang kritisiert die GdP insbesondere die fehlende Ausstattung an modernen Analyseinstrumenten zur Durchführung von Cannabis-Kontrollen.
Mediziner sehen in der Legalisierung ebenfalls ein großes Risiko für die Verkehrssicherheit. Ohne Blutprobe ist es unmöglich, einen zuverlässigen und korrekten THC-Wert zu bestimmen. So können Konsumenten nicht einschätzen, ob sie zu einem bestimmten Zeitpunkt fahrgeeignet sind. Einzelne Symptome oder Schnelltests lassenkeine eindeutigen Rückschlüsse auf die THC-Konzentration zu. Auch Urinproben sind in diesem Zusammenhang zunächst nur ein Hinweis auf den Cannabis-Konsum.
Problematisch ist außerdem, dass THC viel komplexer im menschlichen Körper wirkt. In der individuellen Verstoffwechslung kommt es zu riesigen Streubreiten mit anderer Verteilung und Abbau als beispielsweise beim Konsum von Alkohol. Während man beim Alkoholkonsum unter Berücksichtigung von Gewicht und Geschlecht den Promillewert nach Konsum von konsumierten Gramm Alkohol berechnen kann, ist eine ähnlich präzise Rechnung bei THC nicht möglich. Am Steuer sind Nebenwirkungen selbst dann noch spürbar, wenn sich praktisch kein THC mehr im Serum nachweisen lässt. Die Konzentrationsfähigkeit und das Reaktionsvermögen bleiben deutlich länger eingeschränkt.
Ernüchterndes Fazit
Das medizinisch-psychologische Gutachten bleibt deshalb das zentrale Instrument zur Überprüfung des Trennungsvermögens beim Konsum von Cannabis und der Teilnahme am Straßenverkehr. Dr. Kirsten Heitland zieht eine ernüchternde Bilanz: „Weil beim Cannabiskonsum zumeist der Rausch beabsichtigt ist, darf die individuelle Freiheit nicht auf Kosten der Gesellschaft gehen. Mit dem neuen Gesetz wird die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer bedroht.“