Erdgas galt lange als zuverlässiger, verfügbarer und preiswerter Brennstoff. Doch bei der Energieversorgung ist im Herbst 2022 Umdenken angesagt.
Erneuerbare Energien sind die Zukunft. Die Verfügbarkeit schwankt allerdings noch oft. Digitale Systeme sind eine zentrale Grundlage der effizienten Nutzung.
Von der Öffentlichkeit unbemerkt kam am 15. Januar 2023 ein neuer Rekord zustande. Deutschlandweit hätte der Strombedarf fast vollständig aus regenerativen Energien gedeckt werden können. Alleine die Windenergie lieferte laut Fraunhofer ISE Institut an diesem Tag rund 80 Prozent des erzeugten Stroms. Dennoch kam die Energie nicht vollständig bei den Verbrauchern in Süddeutschland an. Die Ursache: fehlende oder mangelhafte Infrastruktur. Um künftig die erneuerbaren Energien vollständig zu nutzen, sind Investitionen in intelligente und digitale Lösungen gefragt.
Für diese Anforderungen hat die Bundesregierung ein klares Ziel vor Augen: die digitale Energiewende. Das Bundeswirtschaftsministerium sieht darin eine konsequente Anpassung und Optimierung der Infrastruktur. Von der Digitalisierung profitieren speziell die Verbraucher. Smart Meter sind dabei die Schlüssel und liefern klare und verlässliche Informationen in einem weitgehend klimaneutralen Energienetz mit fluktuierendem Verbrauch und schwankender Erzeugung. „Unser zukünftiges Energiesystem wird wesentlich flexibler und damit auch komplexer werden und dafür brauchen wir Smart Meter und eine Digitalisierung der Energiewende“, erklärt Bundeswirtschaftminister Robert Habeck.
In der Digitalisierung sieht auch der Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE) einen Schlüssel zur erfolgreichen Energiewende. Die intelligente Nutzung vorhandener Daten und Informationen nimmt bei der effizienten Nutzung eine zentrale Rolle ein. Dahinter steht eine enorme Herausforderung. Das digitale Energienetz der Zukunft muss flexibel auf die natürlichen Schwankungen bei Angebot und Nachfrage reagieren. „Der Ausbau dezentraler, erneuerbarer Versorgungsstrukturen für Strom und Wärme ist nicht nur ein Beitrag gegen den mittlerweile für jeden spürbaren Klimawandel, sondern macht das gesamte Energiesystem auch widerstandsfähiger“, sagt Professor Frank Baur, Sprecher des FVEE und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme (IZES gGmbH).
Gleichzeitig gilt es, zahlreiche dezentralen Erzeuger und Speicher digital zu vernetzen, um alle privaten und gewerblichen Nutzer optimal mit Energie zu beliefern. Denn die bisherige bedarfsgerechte Energieversorgung aus Großkraftwerken wird von einem flexiblen und komplexen System ersetzt. Um die verschiedenen Faktoren der schwankenden Energieerzeugung mit dem konstant vorhandenen Bedarf in Einklang zu bringen, müssen eine Unmenge an Daten und Informationen ausgewertet werden. Ohne digitale Technologien und moderne Messeinrichtungen lässt sich diese Aufgabe nicht bewältigen.
Potenzielle Anwendungen für die Digitalisierung der Energiewirtschaft gibt es mehr als genug: von der Energieerzeugung über die Versorgung und die dazugehörigen Netze bis zum Verbraucher – ob Privathaushalt oder Unternehmen. Smart Grids sind intelligente Stromnetze und kombinieren die Aufgaben Erzeugung, Speicherung und Verbrauch. Diese smarten und vernetzten Wechselrichtersysteme sind die Grundlage des künftigen Energiesystems, denn sie gleichen potenzielle Strukturveränderungen im Stromnetz mit einem integralen Netzengpassmanagement aus. Das ist nur einer von vielen Einsatzbereichen. Digitale Lösungen sind zudem die Grundlage für neue Geschäftsmodelle, Angebote und Dienstleistungen.
Mit der Digitalisierung stehen Energieerzeuger und Netzbetreiber vor neuen Herausforderungen. Der permanente Austausch von Daten erfordert einen sensiblen Umgang mit den wertvollen Informationen. Compliance und Informationssicherheit auf dem aktuellen Stand der Technik rücken damit in den Fokus der gesamten Branche. Denn ein digitalisiertes Energienetz ist verletzlich, etwa von Cyberangriffen. Für die Energieinfrastruktur existiert damit eine Bedrohung, die sich in den vergangenen Monaten mit den geopolitischen Entwicklungen zusätzlich vergrößert hat.
Neben der Cybersicherheit stehen Netzbetreiber auch beim Thema Compliance vor großen Aufgaben. Die Frage des Status quo kam daher auch in einer aktuellen Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers zur Sprache. Die Befragung ergab, dass erst jeder zweite Netzbetreiber über ein Compliance-Management-System (CMS) verfügt. Nachholbedarf gibt es außerdem an anderer Stelle. Nur etwa jede dritte Führungskraft konnte von einer systematisch ausgearbeiteten Übersicht des geltenden Energierechts im eigenen Betrieb berichten. Bei den meisten Netzbetreibern fehlt derzeit dafür ein umfassender Prozess. Viele Unternehmen müssen daher nachsitzen, um die notwendige Rechts- und Datensicherheit zu gewährleisten. Bis zur erfolgreichen und sicheren Digitalisierung der Energiewende ist es im Januar 2023 noch ein weiter Weg.